Betonköpfe
Betonköpfe

Betonköpfe

So werden diejenigen genannt, die sich unbelehrbar geben, kompromisslos, stur.

Vielleicht lieben sie deshalb so sehr den Beton, der ausgehärtet nicht mehr nachgibt, nicht mehr formbar, nicht mehr für anderes verwendbar ist. – Zerschlagen, allerdings noch als Schotter taugt. Als Grundlage für neue Bauten.

Hauptbestandteil dieser Substanz ist neben Sand und Kies – Zement. Ein wahrhaft zauberhafter Stoff. Ein regelrechter Kleber. Besser als Uhu, Pattex oder wie sie alle heißen. Allerdings nicht unzerstörbar. Wie die alljährlichen Schäden an Brücken und Gebäuden zeigen, die dem Frost Tribut zahlen mussten.

Der moderne Zement ist halt auch nicht mehr das, was er einst war.

https://achso-ein-schwarzes-schaf.de/2022/07/21/opus-caementitium/

Doch über die Kleber-Mängel des Zements will ich mich heute gar nicht auslassen. Sondern darüber wie sehr er unsere Architektur und unsere Umwelt prägt und welcher Preis dafür zu zahlen ist. – Sprichwörtlich, als auch im übertragenen Sinn.

Moderne Hochhäuser – himmelstürmend – wie sie in vielen Metropolen der Welt sich krebsartig ausbreiten, wären ohne den modernen Stahlbeton nicht denkbar.

Ja Stahl und Beton. Da haben sich zwei getroffen. Haben Freundschaft geschlossen. Mehr noch, sich verbündet.

Lehm oder Holzbauten können da einfach nicht mithalten. Ihnen fehlt die Unnachgiebigkeit. Die Starrheit.

Wer sich in den alten Stadt- und Dorfkernen unseres Landes umsieht, kann noch alte Gebäude sichten, die gelegentlich mehr als fünfhundert Jahre auf dem „Buckel“ haben. Und auch so aussehen.

Vom Alter gebogene oder leicht verdrehte Balken „reden“ davon.

Was glauben sie? Werden moderne Stahlbetonbauten in fünfhundert Jahren noch stehen?

Ohne langes Nachdenken: von mir ein klares Nein.

Und – unsere „schnelllebige Zeit“ stört sich auch nicht daran. Im Gegenteil, Neubauten sind angesagt. Wer als Erstbezieher eine neue Wohnung oder ein Haus in Besitz nimmt, zahlt üblicherweise die höchsten Mieten. Erst recht, wenn es angesagte Viertel sind. Oft müssen dafür alte, noch nutzbare Häuser, weichen. Der Grund. Hohe Grundstückspreise und die Geldgier.

Natürlich gibt es auch Liebhaber alter Bausubsubstanz, aber dann bitte auf modernem Stand. Hochwertig renoviert. Aufwendig gedämmt. Und möglichst mit Fahrstuhl.

Mit Einsatz von Beton? Egal. Der verschwindet eh gern hinter dem Lehmputz der Wandheizung. Das Exterieur muss schließlich stimmen. Was selbst dazu führt, das Stahlbetonneubauten, alte Fassaden erhalten. – Maxime: der schöne Schein. Somit auch nicht mehr als eine moderne Form von Kulissenschieberei.

Doch so leicht ist der Beton nicht zu diskreditieren. Er ist einfach ein Allrounder. Mit ihm lässt sich verdammt schnell bauen. Und beinahe jede Form, die die Statik erlaubt, verwirklichen.

Er ist unzweifelhaft der Tausendsassa unter den Baustoffen. Und eindeutig der Liebling der Architekten.

https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kanzleramt-ohne-seele-der-klotz-am-bein-der-berliner-republik-a-119604.html

Was haben sich die Entscheider in Bonn und Berlin, für den Baustoff Beton, wohl gedacht? Beton für Betonköpfe?

Hmm …

Wie wird wohl die geplante Erweiterung ausfallen? Noch mehr Beton, für noch gewichtigere Betonköpfe? – Geht das?

Na klar. Das geht. Rigorosität, Sturheit und Selbstgewissheit schaffen das.

Doch jetzt, so schwarzhumorig mir auch zumute ist, muss ich dem Ganzen einen gänzlich anderen Spin geben.

Ade – Beton. Sei verabschiedet. Mehr und mehr fällst du aus der Zeit. Aus derjenigen, die der Zukunft Raum geben will. Denn du bist ein Energie- und Ressourcenverschwender. – Ohnegleichen.

Aufgepasst. Er ist geschätzt für beinahe zehn Prozent des weltweiten primären Energiebedarfs verantwortlich.

Darüber hinaus ist er auch noch ein „Klimakiller“. – Schreibt das Handelsblatt.

https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/klimaschutz-klimakiller-beton-so-will-die-deutsche-zementindustrie-co2-neutral-werden-/26652040.html

https://www.geoplastglobal.com/de/blog/energieverbrauch-bei-der-betonherstellung/

Beton, du Killer, du. Nicht nur am Klima. Nein. Bist halt wählerisch. Schneubisch und extrem prätentiös noch dazu.

Nicht nur dem Klima tust du nicht gut. Deinetwegen mangelt es selbst an schnödem Sand.

An Sand? Davon gibt es doch wohl genug, denkt sich der unbefangene Bürger und schüttelt den Kopf. Allein in der Sahara fände sich doch genug, um jeden „Betonbauerntraum“ zu erfüllen.

Wohl war. Aber – und ein aber gibt es fast immer – es ist ja nicht so, dass diesem Sande etwas fehlt. Nein. Nein. Er hat einfach nur zu viel Feinschliff.

https://www.deutschlandfunk.de/sand-ein-nur-scheinbar-unendlicher-rohstoff-100.html

https://www.sueddeutsche.de/kultur/architektur-rohstoffe-baustoffe-beton-sand-1.4552152

https://futurezone.at/science/sand-knappheit-mangel-krise-rohstoff-baustelle/401823781

Eigentlich müsste angesichts der Erkenntnisse, die sich ja tatsächlich in den „großen Medienhäusern“ finden, in der gegenwärtigen Politik, längst eine Diskussion über Beton und dessen energie- und klimapolitischen Auswüchse in Gang gekommen sein. Eigentlich. Stattdessen beherrschen diverse Vorschläge zur Energieeinsparung: wie Körperreinigung mit Waschlappen; kalt Duschen; Deckel auf den Kochtopf beim Nudelkochen; während der Nacht das WLAN ausschalten oder abends die Gardinen zuzuziehen, die öffentliche Diskussion.

Kaum überraschend wäre es für mich, wenn es demnächst Wettbewerbe im Kaltduschen oder der Duschdauer gäbe.

Ob dann der gewinnt, der gar nicht mehr duscht?

Bleibt für dessen Sozialkontakte zu hoffen, dass er dann wenigstens den von Ministerpräsident Kretschmann präferierten Waschlappen nutzt.

Selbst die Weihnachtsbeleuchtung steht jetzt auf dem Prüfstand.

Nur Petitessen, angesichts tatsächlicher Einsparmöglichkeiten. – Großer. Noch dazu ohne Verlust an Lebensqualität.

Doch da sei die Lobby der Zementindustrie vor? Beispielhaft genannt für viele andere energieintensive Produktionen.

Auch der Sandabbau ist wohl einfach zu profitabel?

Die Zerstörungswut, die dem System positiver Zinsnahme entspringt, kennt – und das lässt sich ja tagtäglich im Wirtschaftsleben beobachten – fast keine Grenze.

Vernunft scheint dagegen machtlos.

Die Gier nach Geld, nach Macht, die es schenkt, ist schier übermächtig.

Warum wohl haben unsere Vorfahren Jahrhunderte lang, nein, genau genommen Jahrtausende lang, mit regional verfügbaren Baustoffen hantiert. Hierzulande mit Lehm, Holz, Naturstein.

Haben damit Bauten erstellt, die oft weit über ihre eigene Lebensdauer hinausreichten.

Waren sie darob unglücklich? Fehlte ihnen etwas?

Warum werden diese Baustoffe jetzt wiederentdeckt? Besonders von ökologisch orientierten Bauherren.

Sind die alle auf dem „Holzweg“, dem Weg ins Mittelalter, gar zurück in die Steinzeit?

Wer mal das Vergnügen hatte, einmal in einem alten Fachwerkhaus, mit Lehmwänden, Zeit zu verbringen, mag nur ungern wieder gehen.

Warum ist das so?

https://www.swr.de/swr2/wissen/haeuser-aus-lehm-und-stroh-oekologische-alternativen-zu-stahl-und-beton-104.html

Und doch wird dann, wenn es ernst wird, wieder „modern“ gebaut. Der Widerstand von Baubehörden entmutigt. Kaum ein Bauherr will sich dem aussetzen.

Wobei sich dabei ungeheure Einsparmöglichkeiten ergäben. Die Kunst des Lehmbaus ist nämlich keine elitäre. Im Gegenteil, mit ein wenig Einsatzwille und fachlicher Beratung, sollte das auch für Menschen, mit den angeblichen zwei linken Händen, erlernbar sein.

Und was soll schon groß passieren? Entspricht die Ausführung nicht den Vorstellungen, wird der Lehm halt wieder abgeschlagen, erneut gewässert und dann abermals aufgetragen. Learning by Doing.

Selbst Hilfe von Familienmitgliedern, Freunden und Nachbarn beim Hausbau, wie nach dem 2. Weltkrieg üblich, käme dann womöglich wieder in Mode. Reihum. Gemeinsam Lehm stampfend.

Auch wenn es, bei dem ein oder anderen, nur ein Gartenhaus, eine Garage oder eine Grundstücksmauer wäre.

Für Mieter, die bisher vor hohen Baukosten zurückschreckten, könnte ein kleines Lehmhaus, die schon abgeschriebene Verwirklichung, des Traums vom Eigenheim bedeuten.

Wenn, denn der Gesetzgeber die Tür dafür öffnete.

Etwa das Baurecht vereinfachen? – Was für eine Teufelei.

Wollen sie dann gar in Kauf nehmen, dass, sprichwörtlich der Himmel auf sie nieder fällt. Und sie begräbt. Argumentiert der Bauamtsleiter.

Wir wollen doch nur ihr Bestes. Deshalb müssen wir alles prüfen und abwägen.

Wie haben die Menschen in früheren Zeiten, ohne Bauamt, nur überlebt?

Und da gibt es auch noch den Bebauungsplan, der oft genaue Vorschriften zu Höhe des Hauses und nicht selten zur Dachneigung beinhaltet. Oder gar gleich ein Flachdach vorschreibt. Welche Ziegel verwendet werden dürfen. Ob überhaupt.

Vorschriften, Vorschriften, Vorschriften.

Damit sie eine Vorstellung von deren Umfang erhalten, verlinke ich mal stellvertretend für andere Bundesländer, die entsprechenden Vorschriften des Bundeslandes Rheinland-Pfalz.

https://fm.rlp.de/themen/baurecht-und-bautechnik/bauvorschriften

Hurra – der Amtsschimmel hat da eindeutig mehr als einmal, laut gewiehert.

Welch Wunder, dass angesichts dessen, überhaupt noch jemand baut.

Das die Statik eines Neubaues überprüft werden sollte – Einverstanden.

Aber warum all diese kleinlichen Verordnungen und Regeln?

Damit sich Nachbarn, wohnend in Häusern mit architektonischem Einheitslook, vor Gericht über Marginalien streiten können?

Wie auch immer. Um Vereinfachungen im Baurecht wird der Gesetzgeber nicht umhinkommen. Die eh schon ausufernden Baupreise, verbunden mit den gegenwärtig „explodierenden“ Preise für konventionelle Baumaterialien und deren akute Lieferschwierigkeiten, werden das letztlich erzwingen.

Alternative und regional verfügbare Baumaterialien werden an Nachfrage gewinnen.

Die Veränderung ist ja längst da. Jetzt muss sie nur noch in den Köpfen ankommen.

Wenn der Beton da mal raus ist. Ist Platz für anderes. Für Neues. Besseres.

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