Fehlertoleranz – ah nee
Fehlertoleranz – ah nee

Fehlertoleranz – ah nee

So ließe sich, kurz gesagt, die übliche Reaktion auf Fehler anderer beschreiben.

Noch immer gilt, hierzulande, bei allzu vielen Mitmenschen, das „Fehler machen“, als sträfliche Missetat. Die, wenn sie allzu oft geschieht, fast immer zum Scheitern führt. Beruflich, im Besonderen. Über das dann, gemeinhin, nicht geredet wird. Und wenn doch, nur als Warnung. Davor, was geschieht, wenn Regelverstöße und Fehler überhandnehmen.

Dabei sind Fehler doch menschlich. Wir alle machen sie. Niemand ist davor gefeit.

Also, warum dieser Anspruch auf Perfektionismus?

Ist es eine Zivilisationskrankheit? Gar ein Auswuchs, der dem Fortschrittswahn innewohnenden Effizienz? Oder doch eher eine Perversion? Derart, wie sie gelangweilte Zyniker und auch der eine oder andere „Gernegroß“ pflegen? Dem Spaße frönen – andere Menschen bloßzustellen und sie zu deklassieren.

Wobei die Genannten stets nach außen blicken, nie nach innen. Denn dieser Blick würde ihnen etwas verraten. – Was wohl? Das sie eine sehr eingeschränkte Sicht haben.

Zwar sehen sie, diffus, den Splitter im Auge des Anderen, doch nicht den Balken im Eigenen.

Wäre dem nicht so, würden sie, ob ihres Tuns, vor Scham regelrecht im Boden versinken. Was fast nie geschieht. Denn genau diese nicht gefühlte Scham dürfte es sein, die sie im Fall mangelnder Fehlertoleranz, auf andere „projizieren“. Projizieren müssen. Es befreit sie.

Die Häme, die sie mehr oder weniger offen über andere ausgießen, entlastet. Sie haben einen Sündenbock gefunden.

Der oft, ob dieser Vorgehensweise, sich in die Ecke gedrängt fühlt. Machtlos. Entwürdigt. Und dem in dieser Verfassung nur noch mehr Fehler unterlaufen. Ein Teufelskreis. Der, wenn er anhält, Mobbing genannt wird.

Solches Tun vergiftet die Atmosphäre in vielen Firmen. Zu vielen. Anfangs motivierte Mitarbeiter verlassen, von all dem gebeutelt, bald entnervt, ihr Arbeitsumfeld. Suchen sich ein Neues. Ein Toleranteres. Ein dem Menschen freundlich gesinntes.

Zurecht.

Denn es gibt sie. Tatsächlich. Weil es vermehrt Mensch gibt, die die Problematik, mangelnder Fehlertoleranz, öffentlich machen. Auswege aufzeigen. Die positiven Seiten der Fehlertoleranz hervorheben.

Dazu zwei Links:

https://www.zeit.de/karriere/beruf/2017-01/fehler-umgang-karriere

https://www.alles-fuer-renos.de/offene-fehlerkultur-der-richtige-umgang-mit-fehlern/

Aber, um ein wenig Essig in den Wein zu geben, will ich auch diese Sichtweise nicht verschweigen: Wer viel arbeitet, macht viele Fehler. Wer weniger arbeitet, macht weniger Fehler. Wer gar nicht arbeitet, macht gar keine Fehler.

Ergo: also arbeiten alle, am besten gar nicht mehr.

Oh-hohoho. Wiehern Sie ruhig laut, ob der Schlussfolgerung.

Doch wer die Prämisse der Fehlerlosigkeit hochhält, sie absolut setzt, sollte ob der Logik nicht verwundert sein. Sie ist einfach nur die Konsequenz mangelnder Weitsicht.

Die realitätsnähere Folgerung auf den Aphorismus lautet allerdings: – und wird befördert.

Skurril? Ja. Eindeutig. Doch stellen sie sich vor, im Personalbüro säße eine Fachkraft, die eine Statistik über die Häufigkeit von Fehlern eines jeden „Arbeitnehmers“ führt. Zweifelsohne würde ein als fehlerlos geführter Mitarbeiter, in der Auswahlrunde der Beförderung, beim Personalchef Pluspunkte sammeln? Denn mit Statistiken lässt sich immer gut argumentieren.

Vielleicht erklärt sich ja so, warum auf Führungsebene oft Taugenichtse anzutreffen sind, die das unauffällige Nasenbohren zur Kunst erhoben haben. Und ob dieser Kunstfertigkeit auch noch bewundert werden.

Besonders Talentierte in diesem Gewerk, wenn man es denn so nennen kann, finden sich in Politikerkreisen. Ihr Motto: viel reden, wenig tun.

Zugegeben, alles etwas überspitzt dargestellt. Doch erinnern sie sich noch?

Sind sie dafür alt genug? Wissen Sie noch wie das war, als Politiker, wegen, aus heutiger Sicht, nichtiger Anlässe, zurücktreten mussten – weil ihnen solch „Petitessen“ nicht verziehen wurden?

Nun. Anscheinend gibt es sie seit geraumer Zeit nicht mehr. Oder die „Gesellschaft“ ist viel weiter mit ihrer Fehlertoleranz, als angenommen.

Jo. Jo. Das muss es sein.

Also, nur weiter so auf diesem Weg.

Um die Irritation noch ein wenig zu vergrößern, zum Abschluss des Beitrags ein letzter Satz, der, in seiner Bedeutung, weit über das heutige Thema hinaus reicht:

„Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.“ Dietrich Bonhoeffer

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