Ach was! Alles Bestens, so scheint es. Keine Hiobsbotschaften mehr. Inflation gestoppt. Die Ökonomie erholt sich im Eiltempo. Die volkswirtschaftlichen Daten zeigen aufwärts. – Millei, dem neugewählten Hoffnungsträger, sei Dank. „Die argentinische Kettensäge wirkt“.
So der Tenor im Beitrag von ntv vom 22.10.24
Sei Dank?
Etwa dafür, dass er den Raubtieren des Kapitalismus Tür und Tor geöffnet hat.
Sicherlich knallen an den Börsen schon seit Monaten die Sektkorken. Und das nicht nur in Argentinien.
Ausländisches Kapital flutet derzeit die Wirtschaft Argentiniens. Gelder, die immer, wenn es etwas abzuschöpfen gibt, blitzschnell um den Erdball strömen.
Stopp, höre ich die Kritiker lautstark rufen. Das Land taumelte noch vor kurzem am Abgrund. Der Staatsbankrott drohte.
Der wievielte eigentlich?
Was sonst hätte man tun können? – schieben sie nach.
Jedenfalls nicht das.
Denn Millei hat einfach nur die Schnäppchenjäger gerufen. Verspricht ihnen leichte Beute. Sein Argument: Das Land braucht Kapital. Viel Kapital. Um einer erneuten Zahlungsunfähigkeit zu entgehen.
OK. Und wie kommt das Land an Kapital?
Aufgepasst. Ganz einfach.
Der Staat verscherbelt seine Besitztümer. Privatisierung genannt.
Das ist wie auf einem Restpostenmarkt, wo überschüssige Produktion, Waren aus Insolvenzen oder aus gestrandeten Containern, verramscht werden. Für „kleines“ Geld.
Banken, Investoren, Unternehmensvorstände, Hedgefonds, Versicherungsgesellschaften, Spekulanten jeglicher Couleur treiben solch eine Bonanza.
Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht. Denn noch gibt es ungeahnte Gewinnchancen. Schließlich hat der Verkauf von Staatseigentum gerade erst begonnen.
Wasserwerke, Flughäfen, Bodenschätze, Autobahnen, Stromnetze, Telekommunikationseinrichtungen, alles, alles, was Geld bringt, wird verhökert. Und das „Beste“ daran, die bisher dem Staat gehörenden Vermögenswerte und Unternehmen, werden für die Investoren zu dauerhaften Geldbringern und lassen sich deshalb bestens weiter veräußern.
Ist das geschehen, werden die ursprünglichen Gelder (Kapital ist ein flüchtiges Reh) viel, viel schneller, als sie hineingeströmt sind, das Land wieder verlassen.
Und das kann zu großen Problemen führen. Die Staatenlenker sind nun in der Defensive. Die Sachwerte des Staates sind veräußert. Der Boom ist zu Ende. Das flüchtende Kapital lässt die Währung im Außenwert sinken, was den Kapitalschwund noch weiter verschärft.
Eine ungekannte Wirtschaftskrise droht.
Also, was tun?
Schauen wir in der Wirtschaftsgeschichte nach. Denn solch ein Szenario ist schließlich nicht neu.
https://www.capital.de/wirtschaft-politik/history-das-ende-des-asiatischen-wirtschaftswunders
https://www.nzz.ch/meinung/als-das-asienwunder-endete-die-vergessene-finanzkrise-199798-ld.1696114
Riesige wirtschaftliche Verwerfungen waren damals die Folge.
Neue Investoren, die sich „günstig“ einkaufen, betreten also ein Trümmerfeld.
Damit sich für die neuen Investoren ihr „Risiko-Investment“ lohnt, muss natürlich jemand dafür zahlen.
Na, wer wohl? Wie immer. Der Endverbraucher.
Die Argumente, wie sie davon überzeugt werden sollen, sind altbekannt. Das Hauptargument: Die ineffektiven Betriebe müssten modernisiert werden. Und nicht zu vergessen, das Lohnniveau sei zu hoch und müsse sinken. Das Land sei nicht wettbewerbsfähig. Erst wenn die wieder hergestellt sei, würde wieder neues Kapital angelockt.
Der Bürger fügt sich, arbeitet und zahlt.
Die Bürger sind regelrecht zu Sklaven von Firmen geworden, die für die täglichen Leistungen wie Miete, Wasser, Strom, Mobilität, Kommunikation und diverses andere Dienstleistungen oft mehr verlangen als sie zahlen können. Sie werden ausgepresst, wie Zitronen.
Für allzu viele Menschen bleibt dann oft nur noch ein Dasein in Armut am Rande der Gesellschaft. Als Teil einer weltweit riesigen Masse an in prekären Verhältnissen lebenden Menschen.
Der Welthandelsorganisation und ihrer beinahe weltweit rechtlich verbindlichen Geschäftsgrundlagen sei „Dank“ dafür.
Auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank haben einen gehörigen Anteil daran.
Rechtlich legitimierter Raub ließe sich dazu auch sagen.
Auf der Gegenseite die Profiteure, die derart entfesselt dem Konsum frönen, als gäbe es kein Morgen. Schwelgen in Luxus. Berauschen sich an ihrer Macht. Und lassen Gott einen lieben Mann sein. Sofern er ihnen überhaupt in den Sinn kommt.
Kurz und bündig. Der Kapitalismus mit seiner Ellbogenmentalität und Ausbeutung der Menschen zugunsten einer kleinen „Wirtschaftselite“ hat moralisch versagt. Er ist ein Desaster.
Es wird Zeit, ihm ade zu sagen.
Übrigens. Die ökonomischen Grundlagen dafür hat vor über einhundert Jahren ein argentinischer Unternehmer gelegt.