Widerlich
Widerlich

Widerlich

Mehr, mehr, mehr. Das ist der Standardruf der Ökonomen. Die sich mehr Umsatz, mehr Einkommen, mehr Ertrag wünschen.

Deren Ruf ist die Folge des derzeitigen Geldsystems. Denn es benötigt, zur Erhaltung, ständiges Wachstum.

Und den Einsatz von fossilen Energien. Den Abbau von Rohstoffen.

Kurzgefasst: den Raubbau an der Natur.

Aus der Ferne sehen Satellitenbilder von Rohstoffabbaustellen aus wie entartete Hautzellen. Nicht umsonst hat die katholische Kirche das Zinsnehmen, mit dem lateinischen Begriff Usura, Wucher, belegt. So wird die Analogie noch deutlicher.

https://www.derstandard.de/story/2000092602748/satellitenbilder-dokumentieren-ausbeutung-der-erde

Nun denn. Geld gab es doch schon vor dem Problem des Klimawandels.

Ja, stimmt. Doch dessen Konstruktion hat in den letzten gut dreitausend Jahren, stets für ökonomische Krisen gesorgt.

Wobei sie eigentlich überschaubar waren. Eher regional verortet. Und auch die ökologischen Folgen blieben im Rahmen.

Selbst das großflächige Abholzen uralter Wälder im Mittelmeerraum, blieb begrenzt. Und es bot zumindest die Möglichkeit, der Wiedergutmachung durch Neuanpflanzungen.

Das ist heutzutage gänzlich anders. Vielerorts sind die Zerstörungen irreversibel. Und ausgerottete Tier- und Pflanzenarten sind weg. Für immer weg.

Ja. Das Zins fordernde Geld hat ziemlich wider­liche Folgen. Und eine davon, keine geringe, ist der, der Volkswirtschaft auferlegte Zwang zum un­ablässigen Wachs­tum.

Ist das etwa ein Naturgesetz?

Nein, natürlich nicht: Doch es gibt für dessen Existenz eine plausible Erklärung.

Denn gäbe es kein fort­währendes Wachstum, oder anders gesagt, eine alljährliche Steige­rung der volkswirtschaftlichen Erträge, Bruttoinlandsprodukt (BIP) genannt, würde jede Ökono­mie, wirklich jede, die ih­ren Geldum­lauf mit Zinsen aufrecht­erhält, binnen weniger Jahrzehnte an ih­ren inne­ren Widersprüchen und den haarsträu­benden Ungerech­tigkeiten zer­brechen.

Wer es mir nicht glaubt, lese in den Büchern von Forschern, die sich mit der Wirtschaftsgeschichte befassen. In all diesen Ländern ähnliche Entwicklungen. Inflation, Deflation. Währungsturbulenzen. Dann Zusammenbrüche jener Konstruktionen. Wieder und wieder. Jahrhundert um Jahrhundert.

Äußer­lich sind die Widersprüche und Ungerechtigkeiten, einerseits an den gigan­tischen Vermögen in der Hand von Lebemännern und -frauen sichtbar, ande­rerseits, an der Verarmung großer Teile der Bevölke­rung.

Deshalb sticht die Wirkung des ständigen Wachs­tums der Erträge auch so positiv heraus. Die Volkswirtschaft wächst. Und damit auch der zu verteilende Kuchen. Was die Zahlung der Zinsen erleichtert und die wirtschaft­lichen Pro­bleme abschwächt.

Allerdings gilt das immer nur vorläufig. Denn durch die noch schneller ansteigenden Vermögen, die ihrer Höhe wegen, schlicht nicht mehr konsumiert werden können (was sollen Milliardäre, die bereits alles mehr als im Überfluss besitzen, denn noch kaufen) steigen im fol­genden Jahr auch die Zinsforderun­gen an.

Sollen also auf Dauer nicht ganze Be­völkerungsgruppen verarmen, bleibt als Ausweg nur der unablässige Zwang zum Wachstum.

Doch es zeigte sich, nie war die Wachstumsrate hoch genug. Nie reichte es aus.

Zum Thema Wachstum hat der Sender „arte“, kürzlich einen wirklich sehenswerten Film gezeigt. Dass sich die Macher um die Lösung des Problems herumdrücken – na ja, erwartet.

Immerhin: Die letzten darin geäußerten Sätze: „Denn, worum geht es bei Wirtschaft eigentlich? Um steigende Zahlen? – oder um uns?“, zeigen auf, dass die Autoren sich darum Gedanken gemacht haben.

https://www.arte.tv/de/videos/104840-007-A/brauchen-wir-wirtschaftswachstum/

Wachstum. Boompha­sen. Beide sollen am besten ewig halten; sollen niemals en­den. Schrecklich dräut der Dämon der Rezession am Wirtschafts­himmel. Er verunsichert die Menschen. Schon, wenn sie dessen Nahen nur ahnen, agieren sie äußerst vorsichtig und legen ihr Geld lieber unters Kopfkissen, statt es auszugeben.

Denn diejenigen, die den Dämon kennen, wissen, wenn er kommt, bringt er Erwerbslosigkeit und Ruin. Politiker, Ökonomen, Zentralbanker schrecken selbst vor Lug und Trug nicht zurück. Selbst Statistiken werden manipuliert. Und ökonomische Zusammenhänge, in der Öffentlichkeit bewusst ver­schleiert.

Was wird noch getan?

Nun, die Unternehmer und Manager tönen lautstark: neue Pro­dukte müssen her.

Innovatio­nen.

Hah! Das Schlag­wort überhaupt – Innovation. Wenn es fällt, re­den ein­deutig die Feti­schisten des Wachstums. Deren Motto: Mehr. Mehr. Mehr. Es wurde schon erwähnt.

Ob Kleider oder Möbel, Autos oder Fahrräder. Egal! Alle Konsumwaren möglichst neu und modisch. Und mit möglichst kurzer Nutzungsdauer. Denn die Wirt­schaft darf keines­falls sta­gnieren.

Spätes­tens an die­ser Stelle muss der aufmerks­ame und kluge Zeitgenosse doch eigent­lich nachfra­gen. Warum sollte er die noch gu­ten Mö­bel herauswerfen? Warum den noch tragbaren Anzug, den warmen anschmiegsamen Pullover aus­mustern? Weshalb von der Rekla­me angeprie­sene Erzeugnisse kaufen, wo er sie doch bis jetzt nicht ver­misst hatte?

Nehmen derlei Zweifler in gesättigten Märkten zu – ein Signal dafür sind rückläufig­e Ver­käufe – suchen sich die an Wachstum gewohnten Unter­nehmer, wenn möglich, neue Absatz­märkte.

Gern in an­deren Währungs­gebieten.

Bei Erfolg rufen sie dann: Hurra! Und für sie geht alles weiter. Wie gehabt. Alle einheimischen Skeptiker lassen sie mit die­sem Schritt weit hinter sich.

Eine ihrer Devisen lautet: Wachstum über al­les!

Eine andere: Nie mit dem Gegenwärtigen zufrieden sein!

An­halten und nachdenken, wie es einige Kritiker verlangen, halten sie für un­sinnigen Luxus.

Unablässig ersinnen sie für ihre Fir­men neue Waren und Dienstleistungen und fordern von ihrer Gier an­gefeuert, von der Politik die Beseitigung von Handelsbeschränkungen. Denen dann umgehend die Forderung nach Erweite­rung der Handels­wege folg­t.

Das Ergebnis: Neue Schiffe werden auf Stapel ge­legt; neue Fabriken werden gebaut.

Bodenschätze geraten dabei in den Fokus der Anbeter des unablässigen Wachstums. Verseuchte Flüsse, abgeholzte Wälder und klaf­fende Wunden in der Natur sind sichtbare Folge. Die Liste der Zerstörungen, die der Ruf nach Wachstum be­gleitet, lässt sich fast end­los weiterführen. Und im Hin­tergrund – ent­schuldigen sie die Pole­mik, doch sie ist durchaus angebracht – immer der drohende Klageruf der Ökonomen: Wehe, wenn wir weniger arbeiten als im vorigen Jahr. Und damit weniger sich selbst, als die wirklich Arbeitenden meinen.

https://taz.de/Klimapolitik-und-Oekonomie/!5640956/

Die Frage der angeblich Kleingläubigen, worin der Zweck des mehr und im­mer mehr denn liegt, darf nicht ge­stellt werden. Galt in der Phase des Auf­baus, nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, noch die Maxime, die Be­dürfnisse des Bürgers zu befriedigen, rückten, je weiter es Richtung Jahrtausendwende ging, mehr und mehr die Bedürf­nisse des Finanzsystems in den Vordergrund. Da dessen Anfälligkeit für Krisen ebenfalls zunahm. Zinsen und Gewinnanteile der Vermögen müssen schließlich bedient werden. Um jeden Preis; um jeden. Denn deren Forderungen sind sakrosankt. Unantastbar.

Und da im Vergleich mit den Aus­wirkungen von Hype­rinflationen oder wirt­schaftlichen De­pressionen, die Folgen des Wachstums üblicherweise als das geringere Übel gilt, setzt sich diese Entwicklung in den betroffenen Gesellschaften fort. Überall.

So lässt sich mit recht die Frage stellen, ob unser wirtschaftlicher und technischer Fortschritt, nicht vorrangig der Aufrechterhaltung des Finanzsystems dient. Und nicht, wie immer gern behauptet wird, der Verbesserung der Lebensumstände der Bürger?

Was ist mit Fortschritten in der Medizin? Mit verbesserten Be­handlungsmethoden? Mit der Erhaltung des Lebens durch technische Unterstüt­zung? – erwiderte mir daraufhin ein erregter Kritiker, dessen Stimme dabei einen klingelnden, schrillen, tremolierenden Tonfall angenommen hatte.

Tja, was lässt sich darauf antworten.

Fragen Sie sich selbst. Wer, wer von der Welt­bevölkerung, profitiert denn vom installierten Finanz­system und von den intensivmedizinischen Entwicklungen, den pharmazeutischen Forschungen? Alle Men­schen? Wirklich alle Menschen?

Doch wohl eher nicht.

Wo bleibt denn bei all dem, der Gerechtigkeitssinn und das Mitgefühl? Findet sich das üblicherweise bei Vorständen von Pharmafirmen? Oder geht es dort nicht, wie in anderen Firmen auch, vorrangig ums Geldverdienen? Kranke bringen Geld. Chronisch Erkranke noch mehr. Gesunde sind da unerwünscht.

Außerdem, Ressourcen sind beschränkt.

Ökologen warnen, und ich denke, mit Recht, vor weiteren Ein­griffen in die ge­wachsenen ökolo­gischen Struktu­ren. Und damit in natür­liche Prozesse, deren Funktions­weise und Zu­sammenhänge – der ein oder andere Wissenschaftler gibt es auch offen zu – nicht wirklich verstanden sind.

https://www.swr.de/swr2/wissen/schoepferische-oekologie-wir-sind-lebewesen-keine-objekte-sagt-philosoph-andreas-weber-100.html

Wir fühlenden Menschen sind, genau besehen, tatsächlich Sklaven eines un­menschlichen Wirtschafts­systems, das der Mehrheit der Weltbevölkerung immer mehr fordert, aber immer weniger lässt.

Und welche Wissenschaft sich in der modernen Ökonomie verbirgt, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Was ich erkenne, ist ein Schwindelunter­nehmen, eine Gaunerei, jenem betrügerischen Konstrukt Kettenbrief äh­nelnd, das erst dann en­det, wenn kein Nachfolger mehr ge­funden werden kann.

Nur die Initiatoren und Wissenden gewinnen. Die Masse der Teilnehmer verliert. Mit oft grässliche­ren Folgen. Dar­unter Hunger, Elend, Ar­mut, Schuldknechtschaften und, nicht zu ver­gessen, Kriege.

Zwar versehen die, in der Öffentlichkeit stehenden Ökonomen, das Sys­tem stets mit dem Odium des Wissenschaftlichen, verschleiern damit aber nur den Be­trug.

Fazit: Ohne Änderung des Geldsystems, wird es keine Lösung des Wachstumszwangs, noch für die ökologischen Beeinträchtigungen und auch nicht für die ökonomischen Verwerfungen geben.

Nur wer will das – derzeit?

Nun ja. Einige Wenige gibt es schon.

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