Einst schmetterte diese Worte, die wie ein Schlachtruf klingen, ein führender Oppositionspolitiker im Bundestag, dem damaligen Bundeskanzler entgegen. Gemeint wohl als Demaskierung mangelnder Professionalität.
Dennoch. Wenn es ein Motto gäbe, unter das ich mich begeben würde, es wäre dieses.
Ja, ich bekenne, ich bin Dilettant. Durch und durch.
Dazu ein Satz aus einem Beitrag in Deutschlandfunkkultur zum Dilettanten, der sich auf den „Dilettanten-Artikel“ von Roman Bucelli in der NZZ bezog:
„Er ist kein Eiferer. Weil ihm dazu das Sendungsbewusstsein und jeder Dünkel fehlt“, meint Roman Bucheli. „Er kultiviert souverän die Unsicherheit dessen, der die Beschränktheit seines Könnens und Wissens im Stillen ahnt.“
https://www.deutschlandfunkkultur.de/aus-den-feuilletons-avanti-dilettanti-100.html
Und ich bin damit, wie ich mir einbilde, menschlicher und weniger berechnend, als derjenige, der, nicht lange, nachdem er 1997 das Motto, das im Bundestag zu Gelächter führte und selbst den Bundeskanzler zum Lachen animierte, sein Gewissen und den Selbstzweifel – so scheint es mir – bei Eintritt in die Welt der hohen Politik abgab.
Wer es nicht weiß und wissen will, wer es war, sollte eine Internet-Suchmaschine befragen.
Man glaubt es kaum, selbst die Tageszeitung „Die Welt“ stimmte schon Jahre vor Erscheinen des NZZ-Artikels, in einer Kolumne, einen Lobgesang auf den Dilettanten an.
https://www.welt.de/welt_print/debatte/article6738520/Avanti-Dilettanti.html
Verblüffend, wo es doch das übliche Los des Dilettanten – und ich behaupte einfach einmal, die meisten sind Autodidakten -, das ihm, in einer Welt der Verschulung, von rigiden Lehrplänen und einer von Nachweisen, die Anerkennung verweigert wird. – Ausnahmen bestätigen die Regel.
Mut zur Lücke, das Bekenntnis zum „Imperfekten“. Das ist es, was den Dilettanten auszeichnet. Ihm den Antrieb liefert.
Er ist sich seiner Beschränktheit bewusst. Und unterscheidet sich da deutlich von den angeblich so Perfekten, Untadeligen und Vorbildhaften. Die nun einmal auf den Entscheiderstühlen sitzen. – Zu sicher mehr als 90 Prozent.
Tunnelsicht und Autoritätsgläubigkeit – wie sie die Lehrer in unseren Schulen von den Schülern verlangen – sind auf dem Weg dahin, durchaus hilfreich.
Dazu kommt: „Die oberen Zehntausend“, die „Topentscheider“, mögen Bewertungen. Die Jahreszeugnisse der Schulen bestätigten ihnen und bestätigen Jahr für Jahr auch ihrem Nachwuchs, ihre abgehobene Position. Ein Status, der gegebenenfalls mit teuren Geschenken an Privatschulen oder mit Spenden an mit privatem Geld finanzierte Universitäten (es gab Zeiten, da nannte sich das Bestechung) gesichert wird. Notfalls gibt es da noch eine Reihe anderer Überredungskünste.
Das Diplom, noch besser die Promotion, rundet dann das Selbstbild ab.
Nötig ist all das allerdings nicht. Im alten Geldadel reicht es auch aus, sich in den Kreisen, angemessen zu bewegen. Notfalls lässt sich die nötige Expertise für allerlei Entscheidungen, problemlos einkaufen.
Der neue Geldadel ahmt das eifrig nach.
Das ist das Holz, aus dem ein Gutteil unserer derzeitigen Entscheidungsträger geschnitzt sind. Autoritätsgläubig. Angepasst. Und stets von sich eingenommen.
Für kritische und reflektierte Menschen bleibt da wenig Raum. Sie ecken an. Verursachen Ungemach. Sind auf Dauer nicht Elitenkompatibel.
Ihnen bleibt bestenfalls die zweite Reihe. Dienen so noch als Alibi für die Möglichkeit des Aufsteigens.
Erfolgreiche Dilettanten sind in diesen abgehobenen Sphären ungern gesehen. Sie werden toleriert. Aber nicht geliebt.
Ihr weiter Blick, ihre Offenheit, ihre Intuition, verstört. Sorgt für Irritationen.
Künstler dürfen so sein. OK. Die galten ja schon immer als etwas versponnen.
Aber doch keine Unternehmenslenker.
Oder gar Hochschullehrer. Gott bewahre. Das könnte die Studenten auf merkwürdige Gedanken bringen. Ihnen eine andere Weltsicht ermöglichen.
Wer will das schon? Die Eliten jedenfalls nicht. Für sie ist alles gut so, wie es ist. Und sie tun alles Mögliche dafür, dass es so bleibt. So bleibt. So bleibt.
Ihr Credo: Konservatismus bis zum Umfallen. Wobei sie bei Letztgenanntem nicht sich selbst meinen, sondern eher, die ihnen hörigen Funktionsträger. Gern mit Führungsambition. Denn die eignen sich besonders dafür – fürs Umfallen. Gemeinhin Opportunismus genannt. Das wichtigste Qualitätsmerkmal solcher „Großgebietiger“.
Gekaufte Wissenschaftler, Experten jeglicher Couleur, meist abhängig von Stiftungsgeldern, Staatsknete oder ausgelobten Preisgeldern, stützen sie. Die Karriere im Blick. Den möglichen Ruhm.
Der Dilettant ist davor gefeit. Ihm ist das alles suspekt. Und es langweilt ihn.
Er weiß – intuitiv – die Mühen sind den Preis nicht wert. Er weigert sich einfach, seine Neugier, sein Anderssein, seine Lebendigkeit zu verleugnen. Sie an den Türstehern zum Elitenzirkus abzulegen. Im Tausch gegen einheitliche graue Anzüge. Einzig in Schnittform und Tuchqualität sich unterscheidend.
Menschen, sich darin entwickelnd zu grauen Herren und grauen Damen, mit überwiegend gräulichen Gestammel und oft grausigen Gedanken.
Michael Ende hat ihnen mit dem Buch „Momo“ ein Denkmal gesetzt. Ein Grauenerregendes.
Ein Dilettant ist gemeinhin kein Experte. Betreibt keine Faktenhuberei. Er ist eher ein Querdenker, der Verbindungen sieht. Gemeinsamkeiten. Abhängigkeiten.
Er denkt systemisch. Nicht monokausal. Und unterscheidet sich darin fundamental vom Spezialisten.
Er weiß deshalb um seine Begrenzungen.
Wer will schon von sich behaupten, „das große Ganze“ zu überschauen. Und trotzdem, es soll sie geben, solche Experten. Arrogant. Einschüchternd. Voller Hybris.
Ja – es gibt sie. Leider viel zu oft. Gern auch Autorität; Kapazität genannt. Meist Fachidioten, deren Blick nur selten über den Tellerrand reicht.
Wird ihre verengte Sichtweise im Alltag kritisch beleuchtet, zeigt sich zuerst Schnappatmung. Gefolgt von Verachtung. Und dem Wunsch, solche Majestätsverächter in den Staub zu treten.
Wie sonst soll die sektenhafte Faktengläubigkeit und die Arroganz mit der allzu viele Ärzte und Volksvertreter während der „Corona-Krise redeten und handelten, denn beschrieben werden.
Und wer glaubt noch, dass dies eine Ausnahmeerscheinung war?
Selbst Journalisten beteiligen sich inzwischen. Berufen sich bei allerlei Themen lautstark auf Fakten, Fakten, Fakten. Deren Auswahl und Aussagekraft oft mehr Zweifel als Zustimmung weckt. Sie betreiben Schönfärberei. Biedern sich an. Jenen, den sie eigentlich, nähmen sie ihren Job ernst, ob deren Einfältigkeit oder Boshaftigkeit, „den Kopf waschen sollten“.
Nada. Nichts davon. Im Gegenteil. Dummschwätzer jeglicher Couleur haben sich in den Redaktionen und auf politischen Posten eingenistet.
Der einfache Bürger haut sich beinahe jeden Tag mit der flachen Hand an die Stirn. Immer öfter leise vor sich hin murmelnd: unfassbar! Unfassbar!
Was bleibt ihm auch sonst?
Galt das Bonmot; „Wenn Wahlen zu grundsätzlichen Änderungen führen würden, wären sie längst verboten“, noch vor einiger Zeit, als Überspitzung von Kabarettisten, setzt es sich in immer mehr Köpfen fest.
Das ist Legitimationsentzug durch die Hintertür.
Und er wird zweifellos Folgen haben.
Die Menschen werden ihr Los wieder selber in die Hand nehmen.
So gut sie es vermögen.
Ihnen allen ein frohgemut zugerufenes „Avanti Dilettanti“.