Der Workaholic – ein Auslaufmodell?
Der Workaholic – ein Auslaufmodell?

Der Workaholic – ein Auslaufmodell?

Wohl eher nein. Denn sie begegnen einem öfter. Zu oft.

Doch um sie zu enttarnen, ist Beobachtungsgabe und Selbstgewissheit vonnöten.

Workaholics verstecken sich. Gern hinter der Fassade des Entrepreneurs. Des erfolgreichen Managers. Desjenigen, der Tatkraft und Durchhaltewillen repräsentiert. Und damit vielen als Vorbild dient. Insbesondere dann, wenn von wirtschaftlichem Erfolg gekrönt. Das Ansehen verleiht. Bestenfalls Ruhm.

Und dafür sind eine Vielzahl von Menschen bereit, unsägliche Mühen und auch viel Verdruss in Kauf zu nehmen.

Um ihrem Ziel nahezukommen, sind sie gar nicht so selten sogar dazu bereit, körperliche Warnsignale zu ignorieren, seelische Komplikationen hinzunehmen. Als auch die Belastung von familiären Bindungen zu riskieren und Freundschaften aufs Spiel zu setzen.

Als Vorgesetzte sind sie für Mitarbeiter oft mehr als anstrengend.

https://www.ostjob.ch/ratgeber/artikel/303/workaholic-stress-vermeiden

Die Maßstäbe, die sie setzen, erzeugen Stress und führen nicht selten zu Abwehrverhalten ihres Personals. Besonders dann, wenn die Ansprüche steigen. Die Arbeitsleistung nie ausreicht.

Wohl dem, der dabei scheitert. – Das Scheitern als Chance. Als Chance, sich wieder zu spüren. Die Möglichkeit, sich die Frage nach dem wahren Sinn des Daseins zu stellen.

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, waren bei mir Jahre vonnöten. Doch diese, im Nachhinein gesehen harte Jahre, haben mir geholfen – viel Zeit ist seitdem vergangen – der zu werden, der ich heute bin.

Vor allem ein nach Sinn Suchender. Ein Beobachter. Ein vom Wunsch nach Weltverbesserung Beseelter. Dabei möglichst selbstkritisch und reflektierend. Trotzdem sündig und leider fehlerhaft. Und zu oft ungeduldig. Bin halt Mensch.

Und, darüber habe ich inzwischen Gewissheit, auch noch so große spirituelle Bemühungen werden mich nicht, zu einem Heiligen machen.

Was nicht heißt, dass ich spirituelles Streben als überflüssig erachte.

Gott bewahre.

Es liefert Erkenntnisse. Schenkt Ausgeglichenheit. Ungestörten Schlaf. Und bildet, durch die trainierte Achtsamkeit, ein Gegengewicht zum viel zu oft schnöden kräftezehrenden Alltag. Allzu häufig angefüllt mit kleinen Kämpfen und oft nervigen Handlungsmustern, die einem der Unterhalt der eigenen Existenz abfordern.

Gern wüsste ich, wie heiliggesprochene Menschen, dieses ihnen posthum verliehene Attribut, wenn sie es denn könnten, kommentieren würden.

Ein wenig Einblick in die Thematik hat mir die Autobiographie von Mahatma Gandhi geliefert. Der ja schon zu Lebzeiten als Lichtgestalt gesehen wurde und den Ehrentitel “Mahatma“ (große Seele) eher kritisch beäugte.

Es ist der Blick von außen, der darüber befindet. Innerlich mag das Geschehen ganz anders wahrgenommen werden.

Hatte der Heiliggesprochene keine Selbstzweifel? Kein Bedauern über das ein oder andere unbedacht geäußerte Wort?

Und um nun wieder die Kurve zum Workaholic zu bekommen. Zweifelt der nie an seinen Worten und Taten? Empfindet gegebenenfalls gar Bedauern?

Vermutlich schon. Nur darf das nicht übermächtig werden. Dann droht der Fall aus der Rolle. Die nackte Wahrheit würde offensichtlich.

Wer kennt ihn nicht – wenn nicht persönlich, dann sicherlich aus Filmen – den Alkoholiker oder Drogensüchtigen, der Reue zeigt und schwört von seiner Sucht zu lassen. Aber nicht jetzt. – Morgen. Ganz sicher.

Und, trotz des oft schönen Scheins, er täuscht. Der Workaholic ist ein Süchtiger.

https://karrierebibel.de/workaholic/

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/28575/arbeitssucht-massenphaenomen-oder-psychoexotik/

Zum Thema auch:

Die sichtbar positive Fassade des Workaholics (Wohlstand, persönliches Ansehen, ein von Kraft strotzendes Auftreten) wird gern akzeptiert. Unkritisch, weil ein Großteil der Bürgerschaft, tief im Kern, selbst süchtig ist. Süchtig nach Geld. Nach der Verlockung, die es bietet.

Mehr, immer mehr, lautet das Mantra. Genug ist nie genug.

Wohin das führt? – Zu Ellbogenmentalität und mangelnder Empathie.

Wer sich darüber beklagt, dem sollte bewusst sein, dass er durch die Anerkennung und Nutzung des Zinsgeldes, Teil daran hat.

Kurzum: wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.

Tun Sie es? Natürlich nicht. Sie nehmen den Irrsinn hin. Unwidersprochen. Haben damit natürlich Mitschuld. So wie wir beinah alle.

Es sind die äußeren Strukturen, die uns Menschen fesseln. Uns zunehmend in die Sucht treiben. Die Sucht als Ablassventil. Deren kurzes „High“ als Ausgleich dient. Für mangelnde Zuwendung, Anerkennung und Rücksichtnahme. Um nur einige Kernpunkte zu nennen.

https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2013-08/sucht-drogen-medikamente-therapie?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.startpage.com%2F

„Vier Millionen Deutsche sind abhängig“, so lautet der erste Satz des Artikels.

Eine Untertreibung sondergleichen. Noch dazu ein Stigma für Betroffene, die sich nicht hinter einer gesellschaftlich akzeptierten Sucht verstecken können.

Wer weiterhin meint, der Süchtige trage selbst die Verantwortung an seiner Sucht, verkennt die gesellschaftliche Tragweite.

Würde in der Menschheit das Bewusstsein – das sich dessen bewusst sein – einer Suchtgesellschaft anzugehören und somit das Eingeständnis süchtig zu sein, um sich greifen, vieles von dem, was uns Menschen alltäglich so sauer aufstößt, uns in die Abhängigkeit von Süchten treibt, wäre zügig perdu.

Nicht selbstzerstörerische Anpassung, sondern Widerstand wäre dann an der Tagesordnung. Ein dauerhaftes Mitmachen im Suchtgeschehen kaum mehr möglich.

Das Verständnis von der Verbundenheit aller Menschen könnte wachsen.

Könnte Heilung in Gang setzen.

Wovon alle Lebewesen, als auch „Mutter Natur“ profitieren könnte.

Könnte. Könnte. Könnte.

Die Frage lautet: wird das stattfinden?

Da treiben mich doch gehörige Zweifel um. Süchte sind hartnäckig. Haben die Tendenz zu bleiben. Sind wandlungsfähig. Wird eine Suchtform aufgegeben, ploppt gern, wie von selbst, eine andere auf. Suchtverschiebung genannt.

Jeder Süchtige, der sich an die Heilung wagte, wird das bestätigen.

Die Abkehr von der Zigarette, dem Nikotin und schon taucht wieder klammheimlich eine neue Abhängigkeit auf. Bei vielen ist es dann der Griff zur Schokolade oder anderen Süßstoffen. Zuckersucht ante portas.

Doch es kann auch jegliche andere Form annehmen.

Wenn dieser Prozess verstanden ist, wird klar, dass Suchtverhalten viel komplexer ist, als viele Suchttherapeuten meinen. Und weniger mit mangelnder Einsicht, als mit der süchtigen Gesellschaft, in denen der Mensch lebt, zu tun hat.

Überspitzt gesagt: der Süchtige als Hinweisgeber gesellschaftlicher Notstände.

Doch das darf nicht sein. Stellt zu vieles infrage. Also werden Süchtige überall auf der Welt, bis zu einem gewissen Maße, gesellschaftlich toleriert. Des vermeintlichen Zusammenhaltens der Gesellschaft willen.

Im Kleinen zeigt sich das schon in der Familie.

Ein „Spielsüchtiger“ Papa – und die ganze Familie leidet mit. Nach außen hin wird von allen Familienmitgliedern mit allen Mitteln versucht, den schönen Schein aufrechtzuerhalten. Die Sucht wird tabuisiert. Darüber wird nicht gesprochen.
Erst wenn die Fassade bröckelt und das wahre Ausmaß der Zerstörung sichtbar wird, lässt sich die Wahrheit nicht mehr verbergen. Scham und Wut brechen sich Bahn.

Änderung wird dann möglich. Doch viel zu oft bricht stattdessen das ganze sorgsam errichtete Lügengebäude zusammen und hinterlässt traumatisierte Beteiligte, die sich oft nichts mehr zu sagen haben.

Da hat die zerstörerische Kraft der Süchte ganze Arbeit geleistet.

Und was im Kleinen geschieht, lässt sich auch fast ohne Einschränkung auf größere Strukturen übertragen.

Weshalb süchtige Gesellschaften, die sich, warum auch immer, der Wahrheit stellen müssen, in ihrem Bestand ebenso gefährdet sind, wie die kleine Familie.

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